Verstoß gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit; Anschein von tatsächlich nicht zum Geschäftsbetrieb gehörender Tätigkeiten (2024)

letzte Aktualisierung: 3.3.2021
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.3.2020 – 3 Wx 133/19

GmbHG § 13 Abs. 3; HGB §§ 6, 18 Abs. 2 S. 1 u. 2; StBerG § 5
Verstoß gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit; Anschein von tatsächlich nicht zum Geschäftsbetrieb
gehörender Tätigkeiten

1. Die Firma „T… GmbH“ („TAX-Care“ bedeutet ins Deutsche übersetzt so viel wie „Steuer-
Hilfe“, „Steuer-Vorsorge“, „Steuer-Pflege“, „Steuer-Sorgfalt“, „Steuer-Versorgung“) ist bei
verständiger Würdigung geeignet, aus der objektivierten Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen
der beteiligten Verkehrskreise den Eindruck hervorzurufen, zu ihrem Geschäftsbetrieb gehöre – wie
gerade nicht der Fall und überdies rechtlich unzulässig – (auch) die steuerrechtliche Vorsorge,
Betreuung, Beratung oder Hilfe in Steuerangelegenheiten, was sich nicht mit dem Grundsatz der
Firmenwahrheit vereinbart.
2. Berufsständische Organe der freien Berufe sind beschwerdeberechtigt, wenn das Registergericht
ihren Antrag auf amtswegige Löschung einer Firma wegen Vorliegens eines wesentlichen Mangels
bzw. ihre Anregung zur Einleitung eines entsprechenden Verfahrens abgelehnt hat.

Gründe:

I.
Die (beteiligte) Gesellschaft ist im Handelsregister mit der Firma „TAX-Care GmbH“
eingetragen, ohne als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt zu sein.
Die Beteiligte zu 1 ist Körperschaft öffentlichen Rechts und berufsständisches Organ der
Steuerberater. Sie hat die (amtswegige) Löschung der Firma wegen Vorliegens eines
wesentlichen Eintragungsmangels beantragt, § 395 FamFG.
Die Gesellschaft hat dazu geltend gemacht, die Beteiligte zu 1 könne nicht den Begriff TAX
ausschließlich für sich reklamieren. Es gebe andere Dienstleistungen im Bereich der
„Steuern“ als direkte Steuerberatung, z.B. Dienstleistungen für Steuerberater oder
Softwarehersteller etc. Sie erbringe nachgelagerte / ergänzende Dienstleistungen im
internationalen Geschäft, daher sei der Name nicht mißbräuchlich. Es werde bestritten,
dass sie „Steuerberatungsleistungen“ erbringe. Das Aufbewahren von Unterlagen, selbst
die Erfassung von Zahlen und andere Hilfstätigkeiten stellten keine
„Steuerberatungsleistungen“ dar. Es dürfe nicht lapidar in den Raum gestellt werden, es
würden „Steuerberatungsleistungen“ erbracht, um das Gericht auf diese Weise zu
beeinflussen.

Das Registergericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1 mit Beschluss vom 3. Juni 2019
zurückgewiesen. Es liege kein Mangel einer wesentlichen Eintragungsvoraussetzung vor,
insbesondere bestehe kein Verstoß der Firmierung gegen § 18 HGB oder gegen das
Steuerberatungsgesetz.

Eine missbräuchliche Verwendung der Berufsbezeichnung als „Steuerberater“ im Sinne
von § 5 StBerG i.V.m. § 132 Abs. 1 Nr. 2 StGB liege nicht vor.
Die Firmierung sei auch nicht zur Irreführung im Sinne von § 18 Abs. 2 HGB geeignet. Sie
sei für die angesprochenen Verkehrskreise nicht wesentlich. Im geschäftlichen Verkehr sei
die deutsche Berufsbezeichnung „Steuerberater“ bekannt und anerkannt. Eine
Verwechselungsgefahr mit dem allgemeinen Oberbegriff „TAX-Care“ unter Kaufleuten
werde nicht gesehen. In den geschäftlichen Kreisen sei klar, dass nicht jede Verwendung
des englischen Begriffes „tax“ gleichzusetzen sei mit der deutschen einheitlichen und
bekanntermaßen geschützten Berufsbezeichnung als Steuerberater. Dies sollte auch für
den informierten, selbständigen und mündigen und der englischen Sprache mächtigen
Durchschnittsverbraucher gelten. Im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der jeweils nationalen
Steuergesetzgebung bestehe bei Verwendung des englischen Begriffs auch kein
unmittelbarer Zusammenhang zum deutschen Steuerrecht.

Schließlich besitze die Firmierung auch eine ausreichende Kennzeichnung und
Unterscheidungskraft im Sinne von § 18 Abs. 1 HGB.

Die Beteiligte zu 1 hat sich dagegen beschwert, weil der Vorwurf der Irreführung sich nicht
allein auf die unbefugte Führung der Berufsbezeichnung beschränke, sondern darüber
hinaus auch die Tätigkeitsbeschreibung der – hier unbefugten – Steuerberatung umfasse.
Losgelöst von anderen Gesichtspunkten werde bereits in der Firma unbefugt
undifferenziert und uneingeschränkt eine Hilfeleistung in Steuersachen angeboten.
Erschwerend komme hinzu, dass die Gesellschaft von einem früheren Steuerberater
geführt werde, der heute nicht mehr als Steuerberater bestellt und nicht mehr zu
uneingeschränkten Hilfeleistungen in Steuersachen befugt sei.
Der Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 25. Juni 2019 hat das Registergericht mit
Beschluss vom 1. Juli 2019 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung
vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.
Das von der Beteiligten zu 1, einem berufsständischen Organ der freien Berufe gem. §
380 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, eingelegte Rechtsmittel ist als Beschwerde gemäß §§ 393 Abs.
3 Satz 2, 58 ff. FamFG statthaft und auch im übrigen zulässig. Beschwerdeberechtigt sind
die berufsständischen Organe, wenn ihr Antrag zurückgewiesen wurde; sie sind auch
dann beschwerdeberechtigt, wenn sie keinen förmlichen Antrag gestellt, sondern nur die
Einleitung des Verfahrens angeregt haben (Keidel/Heinemann, FamFG, 19. Aufl., § 395,
Rdnr. 43).

Das Rechtsmittel ist dem Senat aufgrund der vom Registergericht mit weiterem Beschluss
vom 1. Juli 2019 ordnungsgemäß beschlossenen Nichtabhilfe zur Entscheidung
angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG.

In der Sache hat das Rechtmittel Erfolg. Das Registergericht hat die Einleitung des
Löschungsverfahrens der in Rede stehenden Firma zu Unrecht abgelehnt.
Voraussetzung einer Löschung nach § 395 FamFG ist, dass die Eintragung im Register
unzulässig war oder inzwischen geworden ist und die Unzulässigkeit auf einem Mangel auf
wesentlichen Voraussetzung der Eintragung beruht. Die Löschung darf nicht nur bei
Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften, sondern auch erfolgen, wenn sich die
Unzulässigkeit der Eintragung aus sachlichen Gründen ergibt, also die Eintragung die
materielle Rechtslage unzutreffend wiedergibt. Wesentlich ist ein sachlicher Mangel z.B.,
wenn er die Grundsätze über die Firmenbildung und Firmierung nach § 18 HGB verletzt
/(Keidel/Heinemann, a.a.O., § 395, 14f.). Dies ist hier der Fall, denn die Firma ist
irreführend, § 18 Abs. 2 HGB.

Nach dem einheitlich (§ 6 Abs. 1 HGB) für alle Einzelkaufleute und sämtliche
Handelsgesellschaften – die Gesellschaft ist eine solche, § 13 Abs. 3 GmbHG –
geltenden§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet
sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise
wesentlich sind, irrezuführen. Die Vorschrift enthält ein allgemeines und umfassendes
Verbot, durch die Firma bzw. ihre Teile das Publikum oder andere Interessierte über Art,
Umfang oder sonstige Verhältnisse des Handelsgeschäfts irrezuführen, sog. Grundsatz
der Firmenwahrheit. Zweck ist der Schutz der Geschäftspartner, der Mitbewerber und des
lauteren Wettbewerbs (vgl. allgemein Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, § 18 Rn. 9).
Eine Firma ist zur Irreführung geeignet, wenn sie bei den maßgeblichen Verkehrskreisen
unrichtige Vorstellungen hervorrufen kann. Ob eine Eignung zur Irreführung gegeben und
ob diese als wesentlich im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB einzustufen ist, ist vom
Standpunkt der beteiligten Verkehrskreise aus zu beurteilen. Dazu gehören etwa die
Kundschaft, branchenkundige Kaufleute, Lieferanten und Kreditgeber. Als Maßstab dient –
objektiviert – die Sicht des durchschnittlichen Angehörigen des betroffenen
Personenkreises bei verständiger Würdigung. Eine Irreführungsabsicht ist ebenso wenig
erforderlich wie der tatsächliche Eintritt von Fehlvorstellungen (vgl. Senat, FGPrax 2020,
32 = NZG 2020, 308 m.N.; BeckOK HGB/Bömeke, 24. Edition, Stand: 15. April 2019, § 18
Rn. 27 f.; vgl. auch Baumbach/Hopt, a.a.O., § 18 Rn. 13).

Eine Irreführung über geschäftliche Verhältnisse im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB
kann in den Angaben zum Unternehmensgegenstand liegen. Über die Art des
Unternehmens wird irregeführt, wenn der tatsächliche Geschäftsbetrieb keinerlei Bezug zu
der in der Firma behaupteten Tätigkeit hat (BeckOK HGB/Bömeke, a.a.O., § 18 Rn. 58);
die Irreführung kann in den Angaben über die Waren und Dienstleistungen, aber auch zum
Geschäftsbetrieb selbst liegen (Baumbach/Hopt, a.a.O., § 18 Rn. 13).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht gilt, dass die Irreführung die Eintragung hindert, wenn sie
ersichtlich, d.h. offensichtlich ist, § 18 Abs. 2 Satz 2 HGB. Das Registergericht – und bei
Ablehnung eines Eintragungsantrages auch das Beschwerdegericht – ist gemäß § 18 Abs.
2 Satz 2 HGB auf die Berücksichtigung evidenter und ohne Beweisaufnahme feststellbarer
Tatbestände beschränkt. Das Registergericht ist gehalten, etwaigen Zweifeln hinsichtlich
der Irreführungseignung der Firma nachzugehen (Baumbach/Hopt, a.a.O., § 18 Rn. 15;
BeckOK HGB/Bömeke, a.a.O., § 18 Rn. 64).

Nach Maßgabe des Vorstehenden ist die Firma „TAX-Care GmbH“ nicht mit dem
Grundsatz der Firmenwahrheit vereinbar.

Die Firma „TAX-Care“ (die übersetzt ins Deutsche soviel bedeutet wie „Steuer-Hilfe“,
„Steuer-Vorsorge“, „Steuer-Pflege“, „Steuer-Sorgfalt“, „Steuer-Versorgung“) ist bei
verständiger Würdigung geeignet, aus der objektivierten Sicht eines durchschnittlichen
Angehörigen der beteiligten Verkehrskreise den Eindruck hervorzurufen, zu ihrem
Geschäftsbetrieb gehöre (auch) die steuerrechtliche Vorsorge, Betreuung, Beratung oder
Hilfe in Steuerangelegenheiten. Dies ist jedoch – wie auch die beteiligte Gesellschaft
selbst einräumt – gerade nicht der Fall und wäre auch nicht rechtlich zulässig. Mithin ruft
die in Rede stehende Firma unrichtige Vorstellungen hervor und ist daher zur Irreführung
geeignet im Sinne von § 18 Abs. 2 HGB.

Die Gefahr, dass der Geschäftsverkehr grundlegende Fehlvorstellungen über den
tatsächlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft entwickelt, ist evident, § 18 Abs. 2 Satz 2
HGB, denn sie ergibt sich schon aufgrund einer einfachen Interpretation der Bezeichnung
„TAX-Care“.

Im Hinblick auf diesen Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 HGB muss
hier nicht mehr entschieden werden, ob der von der Gesellschaft gewählten Firma auch
ausreichende Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft im Sinne von § 18 Abs. 1 HGB
fehlt und ob und inwieweit Bestimmungen des StBerG zur Firmierung verletzt sind.
Das Registergericht ist daher gehalten, das Löschungsverfahren durchzuführen.

III.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht; außergerichtliche Kosten sind nicht entstanden,
Gerichtskosten fallen für eine erfolgreiche Beschwerde nicht an, §§ 25 Abs. 1, 22 Abs. 1
GNotKG. Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 Satz 1
FamFG.Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

16.03.2020

Aktenzeichen:

3 Wx 133/19

Rechtsgebiete:

Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Kostenrecht
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

FGPrax 2020, 123-124

Normen in Titel:

GmbHG § 13 Abs. 3; HGB §§ 6, 18 Abs. 2 S. 1 u. 2; StBerG § 5

Verstoß gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit; Anschein von tatsächlich nicht zum Geschäftsbetrieb gehörender Tätigkeiten (2024)

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